Gerichtsdrama auf Wahrheitssuche: Lügenspiel

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Alle Zeugen lügen – davon ist Anwalt Richard Ramsey überzeugt und das bringt er auch seiner Assistentin Janelle bei. Auch sein neuester Fall ist davon nicht ausgenommen, jedoch fangen die Probleme diesmal schon vor der eigentlichen Gerichtsverhandlung an: Erstens redet Mike, der des Mordes beschuldigt wird, seit seinem Geständnis mit niemandem mehr. Zweitens ist Ramseys Klient der Sohn seines Freundes Boone Lassiter. Drittens ist das Opfer Mikes Vater.

Lügenspiel ist sehr ruhig inszeniert. Die Kameraeinstellungen sind bewusst so gewählt, dass sie weder positiv noch negativ auffallen, quasidokumentarisch, ohne dass aber der Eindruck entsteht, es handele sich um eine Dokumentation. Eine ziemliche Gratwanderung, die zum Glück aufgeht. Musik wird sehr spärlich und wenn dann recht dezent eingesetzt. Der Film nimmt sich technisch also zurück, um die Story und das Schauspiel in den Vordergrund zu stellen, was ihm letzten Endes aber ein wenig zum Verhängnis wird. So kann durchaus das Gefühl von Langeweile aufkommen, wenn der Staatsanwalt kaum etwas zum Geschehen beiträgt und bis auf wenige Ausnahmen fast wie ein Statist wirkt – schließlich obliegt einem Staatsanwalt die Wahrheitsfindung und er nimmt somit eine sehr wichtige Rolle bei einem Prozess ein.

Die Gerichtsverhandlung selbst, die den Großteil von Lügenspiel einnimmt, untermalt die Zeugenaussagen mit Bildern der tatsächlichen Ereignisse. So hat der Zuschauer die Möglichkeit, die Lügen der Zeugen selbst zu widerlegen und immer einen Schritt voraus zu sein – Ramseys Mantra gemäß lügen auch ausnahmslos alle. Das mutet besonders einmal aber seltsam an, als Ramsey selbst in einer Rückblende zu sehen ist und somit die Lüge entlarven könnte, was er aber nicht tut. Es ist gut möglich, dass dies darauf hinweisen soll, dass auch die gezeigten Ereignisse nicht zwingend der Realität entsprechen, und so spielt Regisseurin Courtney Hunt gleichsam mit dem Titel und dem Zuschauer, da auch so niemand die ganze Wahrheit – so der wörtlich übersetzte Originaltitel – wissen kann. Während sich der Zuschauer die ganze Zeit über im Vorteil wähnte, muss er nun also erkennen, dass er selbst nur Spielfigur war. Ein recht cleverer Schachzug.

Es lässt sich kaum abstreiten, dass die Mimik von Keanue Reeves sich fast durch seine gesamte Filmographie hindurch auf Kristen-Stewart-Level bewegt und sein Schauspiel ein wenig steif ist. In Lügenspiel hingegen ist er erfreulich entspannt, was besonders deshalb bemerkenswert ist, da er erst wenige Tage vor Drehbeginn Daniel Craig in der Rolle des Anwalts ersetzte. Auch der Rest des Casts überzeugt, wobei Renée Zellweger als Boones Frau sehr gewöhnungsbedürftig ist: Es ist ihr erster Film seit einer Schönheitsoperation und abgesehen davon, dass sie kaum wiederzuerkennen ist, scheint sie ein gutes Stück Charisma verloren zu haben.

Lügenspiel ist ein unaufgeregter Gerichtsfilm, dessen an sich kluge Machart dann doch nicht ganz zu Ende gedacht ist. Ein interessanter Fall und ein spielfreudiger Keanu Reeves machen ihn zu einer guten Wahl für einen Abend im Heimkino, auch wenn ein lange bleibender Eindruck eher nicht zu erwarten ist.

Bewertung: 6/10