Umwelthorror im Weltall: The Silent Sea

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Die nicht allzu ferne dystopische Zukunft: Die Erde ist eine Wüste, der Himmel leuchtet gelb, die Menschen demonstrieren und sammeln Unterschriften für eine gerechte Verteilung der übrigen, dünnen Wasserreserven. Die Astrobiologin Dr. Song Ji-an (Bae Doona), deren Schwester vor fünf Jahren auf einer Raumstation auf dem Mond ums Leben kam, erhält das Angebot, zu derselben Station zu reisen. Die Mission: größtenteils unklar. Ihre eigene Mission: persönliche Gründe. Geheimnisvolle Proben müssen aus der vermeintlich strahlungsverseuchten Station geborgen werden, doch nach einem pannenreichen Flug und Gerade-noch-so-Ankunft trifft die Crew auf jede Menge Leichen und keine Strahlung. Was hat die Regierung (Hae-yeon Kil) vertuscht?

The Silent Sea bietet jede Menge bekannte Elemente aus dem Spacehorror: eine verlassene Raumstation voller Leichen (Studien über Verwesungsprozesse im All gerne an mich, denn diese Toten waren eindeutig zu frisch um wahr zu sein), schemenhafte Gestalten, die über die Gänge huschen, klaustrophobische Kameraschwenks durch die leere Station, eine rätselhafte Seuche und verräterische Crew-Mitglieder. Leider verflüchtigt sich die Gruseligkeit mit dem zunehmenden Aufdecken und wissenschaftlichen Analysieren der Rätsel ziemlich rasant und wird von keiner ernst zu nehmenden Spannung aufgefangen. Das stellenweise schneckenmäßige Pacing und die Unausweichlichkeit der Handlung killt Aufregung und Spannung in manchen Szenen schneller als jedes Mondwasser. Die aus dem letzten Loch pfeifende Ankunft der Crew an der Station oder die Außenmission des Captains Han Yoon-jae (Gong Yoo) verbreiten Spannung lediglich auf der Dialogebene.

Die Dialoge, vor allem die der Nebencharaktere, sind mitunter sinnlos und nervig, wiederholen sie doch in vielen Fällen das Gesehene und die offensichtlichen internen Monologe der Crew. Sätze wie „Ich hab Angst!“, „Was war das?“, „Ich will nach Hause.“ und nicht zu vergessen „Was haltet ihr eigentlich von Person XY?“ werden endlos wiedergekäut, tragen wenig zur Handlung bei und könnten mühelos durch gutes Schauspiel (zu dem der Cast zweifelos fähig ist) und Taten der Figuren ersetzt werden. Gutes, altes „Show, don’t Tell.“ Zu diesen Drehbuchschwächen gesellen sich zahlreiche weitere in Form von schlicht dämlichen Handlungen der Figuren und einem Berg Ungereimtheiten, die den Zuschauenden einiges an Suspension of Disbelief abverlangen.

Der eigentliche Horror in The Silent Sea entfaltet sich währenddessen ungesehen und in weiten Teilen erfrischend unerklärt auf der Erde in Form vom Umwelthorror der weltweiten Wasserknappheit. Diese ist so verheerend, dass viele Kinder nicht das Erwachsenenalter erreichen, Menschen panisch und irrational ein Ende aller Rationierung fordern (eine beiläufig geniale Parallele zur Ausbreitung von Faktenleugnung heute) und von innen heraus ertrinkende Astronaut*innen den Tod als ein erlösendes Absinken in ein stilles Meer halluzinieren. Die allgegenwärtige Verzweiflung treibt nicht nur Captain Han Yun-Jae zur Rettung seiner Tochter ins Weltall, sondern rechtfertigt auch höchst unmoralische Forschungsmethoden auf dem Mond.

Das ambivalente Ende der Serie zeigt eindeutig nicht das erhoffte Wundermittel, sondern deutet auf weitere politische, gesellschaftliche und moralische Diskurse in der Zukunft hin, die nur wenig Anlass zu Hoffnung geben. Die Prämisse von The Silent Sea ist zutiefst düster, zeigt sie doch eine einsame Erde, die zum Gefängnis der Menschheit wird und von einem ebenso einsamen wie kargen Universum umgeben ist, das ebenfalls keine Rettung bietet. Immer wieder wird diese Einsamkeit der Erde und die Kargheit der Mondlandschaft gekonnt ins Bild gerückt, die Fenster der Mondstation bieten beides den bereits trauernden Blicken der Crewmitglieder an. Die aufgemachten Parallelen zur Klimakrise und zum menschlichen Handelns im Angesicht beängstigender Veränderungen sind bedrückend.

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